Der Elefant Pete VI

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Der kleine Elefant Pete hatte genug von seinem Elefantendasein und wollte Bibliothekar werden. Ein etwas seltsamer Wunsch für einen kleinen Elefanten, zugegeben, aber Pete war schon immer ein wenig anders. Erstmal machte er sich an die Planung der neuen Bibliothek. Diese musste nämlich vor allem Feuer- und Nuklearfest sein, denn man konnte ja nie wissen. Außerdem musste sie groß genug sein um das gesamte Wissen der Savannenwelt in sich zu aufzunehmen. Was für eine geniale Idee: Jede einzelne Tierart konnte jeweils ihr Wissen mit einbringen um so der allgemeinen Verdummung der Wüstenwelt entgegenzutreten! Außer Zebras und Schlangen, die waren leider schon zu doof…

Nach der Planungsphase und den Vorschlägen des Architekten sollte die Bibliothek die Grundform einer Banane besitzen. Wie hätte es auch anders kommen sollen, wenn ein Affe für Ästhetik des Gebäudes zuständig war? Pete hörte sich zwar die Erklärungen des Affen an, aber er wusste ganz genau, dass es ihm nur Triebbefriedigung ging.

Die gesamte Savannengroßfamilie war versammelt worden um beim Bau zu helfen. Pete setzte sich den Vorarbeiter-Sicherheitshelm auf, Karell-Anton setzte sich den Stellvertretender-Vorarbeiter-Sicherheitshelm auf und schon wurde gebaut, gemauert, gebohrt, gespachtelt, gehämmert, gespaxt, gefliest, gesoffen (Richtfest), gewischt, gebohnert, gewienert, fertig. Die Elefanten trugen die schweren Baumstämme, die Löwen waren hervorragende Maurer und die Straußen steckten nicht den Sand in den Kopf, was schonmal ein Fortschritt für sie war. Die Ameisen hatten den Bärenanteil an der Arbeit, die Ameisenbären erwiesen den anderen keinen Bärendienst und die Bären waren nicht da, denn die lebten ja am Nordpol. Wie dem auch sei, sagenhafte drei Wochen nach Baubeginn stand die Bibliothek. Die Todesfälle während der Bauzeit hielten sich in Grenzen (ca. 13 Chamäleons starben leider, weil sie von den Antilopen irrtümlicherweise für Türstopper hielten. Aber Chamäleons stoppen massive Bleitüren nicht. Wirklich nicht.), weshalb sich jetzt Pete endlich seinen Traum erfüllen konnte.

Sechs weitere Wochen später waren alle Bände in den Regalen verstaut. Petes erste Amtshandlung als neuer Chefbibliothekar war: Ein karierte Strickjacke anziehen und Hornbrille aufsetzen! Damit sah er ziemlich, naja, langweilig aus. Aber zumindest kam er dem Prototypen eines Bibliothekars schon gefährlich nahe. „Pete?“, fragt das kleine Erdmännchen mit seiner dünnen Stimme. „Ja, was kann ich für dich tun?“ – „Ich such das Buch „“Anführungsstriche“ richtig setzten für An“fänger„. Hast du das irgendwo gesehen?“ – „Na klar, “ antwortete Pete „das steht unter S wie Such-doch-selber-du-Vollidiot-und-frag-nicht-immer-den-Bibliothekar! Also, du gehst von hieraus rechts, zweite Tür links, Gang runter, vierte Tür links, Gang rechts, gleich wieder rechts, links, rechts, rechts, drittes Regal auf der linken Seite!“. Pete war wie immer überaus freundlich.

Zur Hochzeit (nicht im Sinne von Vermählung oder Eheschließung) waren mehr als 300 Bücher gleichzeitig ausgeliehen. Sogar die kleinen Wüstenmäuse, von denen Pete dachte, sie konnten gar nicht lesen, kamen vorbei um sich Bücher wie “In 300 Jahren um die Welt – Feivel der Mauswanderer“ oder aber auch das gelbe “Überleben für Dummies – Wüstenmäuse und die harte Welt da draußen“ auszuleihen. Einige von Petes Herdenmüttern liehen sich das Kinderbuch “Vom Elefanten zum Elfen-fanten – Die Geschichte einer wirklich zauberhaften Verwandlung“ aus, was die Identitätsprobleme einiger jungen Elefanten erklärte. Darüberhinaus beobachtete Pete, dass sich verschiedene Pelikane immer wieder die beiden Bücher “Persönlichkeit und Kollektiv“ und “Lebensweise und Moral im Sozialismus“ ausliehen. Die führten doch offensichtlich irgendwas im Schilde! Nur was konnte er nicht genau sagen.

Für das Eintreiben der Mahngebühren wegen Überziehung der Leihfrist war Karell-Anton eingestellt worden. Sein Inkassobüro schreckte auch nicht vor Waterboarding oder Heavy Metal Musik zurück. Irgendwo hörte der Spaß auch mal auf. „Wo kommen wir denn da hin, wenn jeder sein Buch solange ausleiht, wie er will?“, war seine rhetorische Frage. Seine rhetorische Antwort: „NIRGENDWO! Und jetzt her mit der Kohle du Penner, bevor ich deiner Mutter erzähle, dass du gestern wieder heimlich unter der Bettdecke gelesen hast.“ Karell-Anton verstand sein Handwerk wie kein zweiter.

Die Probleme begannen im Lesesaal. Die Giraffen waren angeblich zu laut. Das zumindest behaupteten zumindest die sich gestört fühlten Flamingos. Pete war schon klar, dass die Giraffen rein körperlich nicht ganz in die Bibliothek passten, denn sie waren schlicht und einfach eine Nummer zu groß. Sie stießen sich ständig (!) den Kopf an der Decke. Nicht zuletzt deshalb mussten 305 Glühbirnen ausgetauscht werden. Hinzu kam der Verbrauch von Kopfschmerztabletten, der wiederum jenseits von Petes Schmerzgrenze lag, aber die er besser bezahlte, weil wegen sonst Klage aufgrund von Diskriminierung und so. Und außerdem war es ziemlich laut, wenn die Langhälse mal wieder unachtsam waren und mit ihren Schädeln fröhlich Löcher in den Putz schlugen. Insofern hatten die Flamingos recht. Aber nur, weil sie recht hatten hieß das noch lange nicht, dass sie alle Giraffen abschlachten mussten, was sie aber taten. Damit war der soziale Friede in der Bibliothek endgültig zerbrochen. Auch Petes besonderen mediativen (nicht meditativen) Fähigkeiten halfen nicht, dem anschließenden Wahnsinn Einhalt zu gebieten. Die Bibliothek wurde vollständig zerstört. Vielleicht hätten sich die Tiere an die beste aller Bibliotheksweisheiten halten sollen:

„Kehrst Du wegen Ruhe in der Bibliothek EIN,
kann ich Dir eins sagen: Bleib lieber DAHEIM!“

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